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Heilen und Wachsen in der Kommunikation Artikel

Gewaltfreie Kommunikation

Der Dialog nach David Bohm und die Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg sind momentan zwei der wichtigsten Methoden der Kommunkationsübung.

 

 

 

 

Fotos Karola Sieber

Möglichkeiten und Grenzen postmoderner Kommunikation

Makrofotografien (Epidot - Thema Heilung) verraten und die Essenzen der Edelsteine. Fotos Karola Sieber

Die Kulturanthropologin und Journalistin Nadja Rosmann untersucht die Grundlagen beider Methoden und einen möglichen nächsten Schritt in der Entwicklung unserer Verständigung.

Die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen, ist nicht nur ein Spiegel unserer persönlichen Perspektive, sondern vermittelt auf subtile Weise immer auch, was in der Kultur, in der wir leben, als denkbar, möglich und erstrebenswert gilt. In postmodernen Kontexten entstandene Kommunikationsmethoden wie die „Gewaltfreie Kommunikation“ und der „Bohmsche Dialog“ richten die Wahrnehmung darauf, wie bestehende Strukturen von Macht, Ungleichheit und Gewalt unser Sprechen durchdringen und dadurch ein kommunikatives Miteinander und menschliche Entfaltung erschweren. Sie folgen dem emanzipatorischen Anspruch, Wunden der Vergangenheit zu heilen und durch ein sprachliches Sich-Hinauslehnen in die Zukunft eine bessere Welt möglich werden zu lassen.

Die Entfremdung überwinden

Juni 1943, Detroit, Michigan. Marshall Rosenberg ist mit seiner Familie nach einem Umzug gerade erst in der Stadt angekommen, als diese sich in einen Hexenkessel verwandelt. Schlägereien zwischen Weißen und Schwarzen ufern aus in einen mehrtägigen Rassenkrieg, der über 40 Menschen das Leben kostet. Für den Neunjährigen bedeutet das Ende der Krawalle nur eine kurze Verschnaufpause, denn gleich am ersten Tag in der neuen Schule muss er erfahren, wie gefährlich das Leben für einen Weißen jüdischer Herkunft in einem Viertel mit überwiegend schwarzer Bevölkerung sein kann. Der Unterricht ist kaum zu Ende, da liegt der Junge bereits am Boden, wird verprügelt und getreten.

Die traumatischen Erfahrungen dieses Sommers 1943 lassen in Rosenberg die Frage reifen, warum Menschen den Kontakt zu ihrer einfühlsamen Natur verlieren und sich schließlich sogar gewalttätig und ausbeuterisch verhalten. Nach seinem Studium der klinischen Psychologie beginnt er in den 1960er Jahren mit Bürgerrechtlern zu arbeiten und entwickelt Mediationsprogramme zur Förderung einer besseren Kommunikation, um einen Beitrag zur Überwindung der Rassentrennung zu leisten. Wo, getragen von gesellschaftlichen Hierarchien und verfestigten Machtkonstellationen, Menschen in einem Zustand der Unbewusstheit und Entfremdung gefangen zu sein scheinen, versucht Rosenberg mit seiner Methode der „Gewaltfreien Kommunikation“, ihr verschüttetes, authentisches Innenleben wieder zugänglich zu machen.

„Werde gut darin, zwei Dinge auszudrücken: Was in dir los ist und was dein Leben schöner machen würde“, so Rosenbergs Losung. Sein Ziel: Menschen wieder in Kontakt zu bringen mit ihren wahren Gefühlen und Bedürfnissen, sie in die Lage zu versetzen, diese auszudrücken und auch in anderen wahrzunehmen. Denn die Fähigkeit, von einem Punkt der emotionalen Bewusstheit und Freiheit aus zu handeln, ist in seinen Augen die wirksamste Gesellschaftskritik: „Wenn Menschen diese Fragen beantworten können, dann geben sie keine guten Sklaven ab. Sie taugen dann nicht als blinde Arbeiter in Systemen, die Menschen unterdrücken.“

Aus der Tiefe des Herzens


Seit den 1990er Jahren arbeiten Rosenberg und seine Teams auch in den Krisenregionen Afrikas und Osteuropas in Ausbildungsprojekten für Straßenkinder oder Rückkehrprogrammen für Flüchtlinge, um Personengruppen, die durch historisch gewachsene Strukturen von Macht und Gewalt einander entfremdet wurden, wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Getragen wird diese Arbeit von der Einsicht, dass Erfahrungen der Unterlegenheit oder Diskriminierung immer auch emotionale Spuren bei den Betroffenen hinterlassen, die sich nicht alleine auf einer reinen Sachebene verhandeln oder gar überwinden lassen.

Die dramatische politische Situation in Ägypten, der scheinbar ausweglose Krieg in Syrien, aber auch die langjährigen Bemühungen um eine politisch-gesellschaftliche Konsolidierung in Afghanistan legen nahe, wie bedeutungsvoll ein Kommunikationsansatz ist, der eine Heilung der Wunden der Vergangenheit möglich scheinen lässt. „Gewaltfreie Kommunikation“ fragt nicht danach, wer den ersten Stein geworfen hat. Sie schafft Möglichkeiten, wie Menschen aus dem Schutt vergangener Kriege gemeinsam etwas Neues bauen können. „Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass in dem Moment, wo Menschen anfangen, über das zu sprechen, was sie brauchen, statt darüber, was mit anderen nicht stimmt, die Wahrscheinlichkeit, einen Weg zur Erfüllung aller Bedürfnisse zu finden, dramatisch steigt“, so Rosenberg.

Was könnte möglich werden, wenn Islamisten und Laizisten, Regierende und Revolutionäre einander aus der Tiefe ihres Herzens ihre wirklichen Wünsche offenbarten? Wenn sich die wahren Anliegen zeigen dürften, die, getarnt hinter politischen Parolen und religiösen Paradigmen, längst zu unbewusstem emotionalem Ballast geworden sind und jeden Schritt aufeinander zu unmöglich machen? Und wenn sie gehört würden? Diese Fragen zu stellen, mag naiv anmuten in Anbetracht von seit Jahrzehnten verhärteten Fronten. Und dennoch ist es gerade diese Transparenz der Gefühle, die Menschen frei werden lässt – frei werden von der selbstbegrenzenden Absolutheit der eigenen Bedürfnisse und frei werden für die Bedürfnisse anderer.

Damit lenkt die „Gewaltfreie Kommunikation“ unser Augenmerk auf den Raum zwischen den Extrempolen des Unvereinbaren. Im gelingenden Gespräch zählt dann nicht allein der Standpunkt, von dem wir kommen, sondern dass es uns gelingt, uns mit emotionaler Offenheit in einen gemeinsamen Raum zu bewegen, in dem aus dem, was wir sind, fühlen und denken, in der Brechung an der Perspektive unseres Gesprächspartners ein empathisches Miteinander erwachsen kann.

Genies im Ring

Wie schwer es sein kann, diesen Zwischenraum zu betreten, zeigt die legendäre Kontroverse zwischen Albert Einstein und Niels Bohr im vergangenen Jahrhundert. Als Begründer der Relativitätstheorie stand Einstein der Perspektive der Quantenphysik, die den deterministischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang in Frage stellte, mehr als skeptisch gegenüber. Viele Jahre lieferten er und Bohr sich fruchtlose Debatten über die Bedeutung des Zufalls in der Physik, indem sie wieder und wieder ihre unverrückbaren Positionen ins Feld führten. „Gott würfelt nicht“, beharrte Einstein. „Hören Sie auf, Gott vorzuschreiben, wie er sich zu verhalten hat“, konterte Bohr. Zwar zeigte die weitere Forschung der Quantenmechanik, dass Bohr mit seinen Ideen auf der richtigen Fährte war, doch viel interessanter ist eine ganz andere Frage: Was hätte zwischen den beiden wohl größten Physikern des 20. Jahrhunderts an neuer Erkenntnis möglich werden können, wenn es den beiden Kontrahenten gelungen wäre, nicht auf ihren Meinungen zu beharren, sondern im gemeinsamen Austausch unvoreingenommen nach einer höheren Wahrheit zu suchen?
David Bohm, ebenfalls Quantenphysiker und Zeitgenosse der beiden, bringt das Dilemma auf den Punkt: „Wir kommen der Wahrheit nicht durch Meinungen näher; sie muss aus etwas anderem zum Vorschein kommen – vielleicht aus einer freieren Bewegung des still schweigenden Geistes. Wir müssen bereit sein, alte Vorstellungen und Absichten fallen zu lassen und, wenn nötig, zu etwas anderem fortzuschreiten.“

Denken wirkt

Bohm versuchte schon früh, die Einsichten der Quantenphysik auf das alltägliche Leben zu übertragen. Er ging der Frage nach, welche Bedeutung die physikalischen Prinzipien der Ganzheitlichkeit und Prozesshaftigkeit für die Gewinnung neuer Erkenntnisse haben könnten. In der Auseinandersetzung mit Krishnamurti folgte er dabei dem Gedanken, dass es dem Menschen möglich sein könnte, zu einer vollständigen geistigen Freiheit zu gelangen. Diese Unvoreingenommenheit, die erwächst, wenn es gelingt, die Grenzen des sich selbst beschränkenden Denkens zu überschreiten, wurde schließlich zum Kern der von Bohm entwickelten Kommunikationsmethode „Dialog“.

„Das Denken bewirkt etwas, sagt aber, ich war’s nicht. Im Grunde ist es Ziel des Dialogs, dem Denkvorgang auf den Grund zu gehen und den kollektiven Ablauf der Denkprozesse zu ändern“, erklärt Bohm. Damit dies gelingt, bedarf es eines Dimensionssprungs, der das Gefängnis des linearen Denkens, den Dualismus von „Problem“ und vermeintlicher „Lösung“ sprengt, denn, so Bohm: „Das Leben ist eher ein Paradox, es hat keine erkennbare Lösung. Es zu durchdringen erfordert, anhaltende Aufmerksamkeit auf das Paradox zu richten.“

Partizipierendes Bewusstsein

Doch wie nähert man sich einem Paradox und hält ihm stand? Vergleichbar mit der Haltung des Loslassens in der Meditation rät Bohm dazu, die eigenen „Annahmen in der Schwebe zu halten“. Zu denken, etwas sei richtig oder falsch, zu glauben, man habe bereits eine Antwort auf eine gestellte Frage – diese Bewegungen des Geistes sind natürliche Reflexe. Wenn wir ihnen jedoch nicht sofort nachgeben, sondern sie einfach in uns „halten“ und betrachten, kann sich unser Bewusstsein für die „Natur der eigenen geistigen Sperren“ öffnen und sie erkennen. Für Bohm ist augenscheinlich, dass letztlich alle gesellschaftlichen Probleme eine gemeinsame Wurzel haben. Sie werden von einem Denken hervorgebracht, das sich seiner Grenzen nicht bewusst ist. Selbst wenn dieses Denken noch so aufrichtig nach Lösungen sucht, wird es zwangsläufig in die Irre laufen.

Je mehr es allen an einem „Dialog“ Beteiligten gelingt, von persönlichen Voraussetzungen – und damit letztlich auch von den noch unzureichenden Gegebenheiten in der Welt – abzusehen, umso eher kann eine Lösungsqualität höherer Ordnung sich manifestieren. Der Gesprächsprozess kanalisiert dabei die Weisheit der Vielen, wenn die Sprechenden die Beiträge, die bereits im Raum sind, aufgreifen, weiterführen und so aus einer Haltung der Absichtslosigkeit in Neuland vordringen. Und dies ist für Bohm der Anfangspunkt eines „partizipierenden Bewusstseins, der Beginn einer neuen Art von Kultur – einer Kultur, wie sie noch niemals wirklich existiert hat“.

Gewesenes und Mögliches

In ihrem Anliegen, mehr Partizipation und damit gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen, verfolgen die „Gewaltfreie Kommunikation“ und der „Bohmsche Dialog“ das gleiche Ziel. Die Bewegung dort hin vollziehen sie in gegenläufigen Richtungen. Während die „Gewaltfreie Kommunikation“ eine Heilung des Gewesenen anstrebt, also den Schmerz der Vergangenheit, der durch Machtmissbrauch, gesellschaftliche Ungleichheit oder Unterdrückung, aber auch persönliche Verletzungen entstanden ist, zu lindern sucht, lebt der „Dialog“ davon, vom Gewesenen abzusehen, um zu einem besseren Möglichen vorzudringen.
Diese Fähigkeit, historisch gewachsene Engpässe kultureller Praktiken zu erkennen und zu überwinden, ist die unbestreitbare Stärke postmoderner Kommunikation. Sie befreit das (Kommunikations-)Bewusstsein der Gegenwart von hinderlichen Artefakten, so dass es sich entfalten kann. Denkt man jedoch vor allem Bohms Impetus der Emergenz konsequent weiter, zeigt sich postwendend eine neue Frage am Horizont: Welche neue Bewusstseins- und damit Handlungsqualität kann durch diese Art des Entfaltungsprozesses tatsächlich als unsere Zukunft aufscheinen?

Psychologie und Neurowissenschaften zeigen eindrucksvoll, wie eng unsere Gefühle und unser Denken miteinander verzahnt sind – in den Strukturen unseres Gehirns und in unserem wesenhaften Ausdruck. Nur einen dieser beiden Pfade zu beschreiten bedeutet zwangsläufig, einen Teil des Problems auszuklammern. Das Denken vermag aus sich heraus unser In-der-Welt-Sein nicht zu transformieren. Gefühle, und seien sie noch so authentisch, sind bisweilen nicht der Weisheit letzter Schluss. Und damit läuft postmoderne Kommunikation Gefahr, sich auf einen Prozess der Reinigung zu beschränken. Getrenntes strahlt dann vielleicht in neuem Glanz, es erwächst jedoch nichts Umfassenderes, keine höhere Qualität im evolutionären Sinne.

Sowohl bei Rosenberg als auch bei Bohm klingt die Möglichkeit einer deutlich weiteren Perspektive bereits an, denn beide sehen das Ich, das spricht, immer in lebendiger Verbundenheit mit einer transpersonalen Dimension. Bohm bezieht sich dabei auf „das Unendliche“, Rosenberg auf „die göttliche Energie“. Und genau dieser Bezug zu einer Einheit mit deutlich weiterem Radius, mit mehr Flughöhe dürfte es sein, der das sprechende Individuum auf noch grundsätzlichere Weise frei werden lässt, als die beschriebenen Methoden in ihrer heutigen Form es vermögen. Dann ist das Ich nicht nur frei von dem, was es im Leben als unstimmig oder gar verletzend erfährt. Es poliert nicht allein das schon Gegebene auf. Sondern es wird frei dafür, sich in der Bewegung von Sein und Werden zu einer Ganzheit zu entfalten, die viel weiter reichende Formen des Ausdrucks, ja der Welt schöpfen kann.

 

Pullquotes:

„Werde gut darin, zwei Dinge auszudrücken: Was in dir los ist und was dein Leben schöner machen würde“
Marshall Rosenberg


„Im Grunde ist es Ziel des Dialogs, dem Denkvorgang auf den Grund zu gehen und den kollektiven Ablauf der Denkprozesse zu ändern.“
David Bohm


Die Fähigkeit, historisch gewachsene Engpässe kultureller Praktiken zu erkennen und zu überwinden, ist die unbestreitbare Stärke postmoderner Kommunikation.

Postmoderne Kommunikation läuft Gefahr, sich auf einen Prozess der Reinigung zu beschränken.

Dr. Nadja Rosmann ist Kulturanthropologin mit dem Schwerpunkt Identitätsforschung. Sie arbeitet als Journalistin, Kommunikationsberaterin und wissenschaftliche Projektmanagerin vor allem zu Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Spiritualität und betreibt das Weblog think.work.different:
siehe Website


QR: Video mit David Bohm: www.bit.ly/UWiXhX

 

Autorin: Nadja Rosmann

weitere Infos: www.zenpop.de/blog 





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